Leitsätze
Artikel 36 des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil‑ und Handelssachen in der durch die Übereinkommen von 1978, 1982 und 1989 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er eine ordnungsgemäße Zustellung der Entscheidung über die Zulassung der Zwangsvollstreckung unter Beachtung der Verfahrensvorschriften des Vertragsstaats verlangt, in dem die Vollstreckung beantragt wird; im Fall einer unterbliebenen oder mangelhaften Zustellung der Entscheidung über die Zulassung der Zwangsvollstreckung reicht daher die bloße Tatsache, dass der Vollstreckungsschuldner von dieser Entscheidung Kenntnis erlangt hat, nicht aus, um die in dem genannten Artikel festgelegte Frist auszulösen.
Erstens dient das Zustellungserfordernis der Entscheidung über die Zulassung der Zwangsvollstreckung nämlich zum einen dem Schutz der Verteidigungsrechte des Vollstreckungsschuldners und hat zum anderen eine Beweisfunktion, indem es die exakte Berechnung der in dieser Vorschrift vorgesehenen zwingenden Rechtsbehelfsfrist ermöglicht. Aus dieser doppelten Funktion in Verbindung mit dem Ziel, die Förmlichkeiten zu vereinfachen, denen die Vollstreckung von in anderen Vertragsstaaten erlassenen gerichtlichen Entscheidungen unterliegt, erklärt sich, weshalb das Übereinkommen für die Übermittlung der Entscheidung über die Zulassung der Zwangsvollstreckung an den Vollstreckungsschuldner strengere Formerfordernisse vorsieht als für die Übermittlung derselben Entscheidung an den Antragsteller. Wenn es zweitens allein auf die Kenntnis des Vollstreckungsschuldners von der Entscheidung über die Zulassung der Zwangsvollstreckung ankäme, so bestünde die Gefahr, dass das Zustellungserfordernis bedeutungslos würde, und die exakte Berechnung der in dieser Vorschrift vorgesehenen Frist würde außerdem erschwert und dadurch eine einheitliche Anwendung der Vorschriften des Übereinkommens unmöglich gemacht.
(vgl. Randnrn. 34-38 und Tenor)
Publication reference
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Publication reference: Sammlung der Rechtsprechung 2006 I-01579
Document number
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ECLI identifier: ECLI:EU:C:2006:113
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Celex-Nr.: 62005CJ0003
Authentic language
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Authentic language: Italienisch
Dates
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Date of document: 16/02/2006
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Date lodged: 06/01/2005
Classifications
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Subject matter
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Directory of EU case law
Miscellaneous information
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Author: Gerichtshof
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Country or organisation from which the decision originates: Italien
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Form: Urteil
Procedure
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Type of procedure: Vorabentscheidung
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Judge-Rapportuer: Klučka
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Advocate General: Kokott
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Observations: Italien, EUMS, EUINST, Europäische Kommission
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National court:
- *A9* Corte d'appello di Cagliari, ordinanza del 12/11/2004 (R.G. 503/02)
- - Praxis des internationalen Privat- und Verfahrensrechts 2005 Heft 3 p.II, V (résumé) (Texte allemand)
Legal doctrine
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Relationship between documents
- Treaty: Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (1957)
-
Case affecting:
Affects Legal instrument Provision Legt aus 41968A0927(01) A36 -
Instruments cited:
Legal instrument Provision Paragraph in document 41968A0927(01) A36 N 20 - 38 41968A0927(01) A27PT2 N 29 41968A0927(01) A40P1 N 32 41968A0927(01) A34L2 N 29 61984CJ0049 N 26 61984CJ0148 N 27 61986CJ0145 N 32 61988CJ0305 N 29 36 37 61991CJ0123 N 29 61998CJ0007 N 27 62003CJ0522 N 26
Rechtssache C-3/05
Gaetano Verdoliva
gegen
J. M. Van der Hoeven BV u. a.
(Vorabentscheidungsersuchen der Corte d’appello Cagliari)
„Brüsseler Übereinkommen – Entscheidung über die Zulassung der Vollstreckung einer in einem anderen Vertragsstaat erlassenen Entscheidung – Unterbliebene oder mangelhafte Zustellung – Kenntnisnahme – Klagefrist“
Schlussanträge der Generalanwältin J. Kokott vom 24. November 2005
Urteil des Gerichtshofes (Zweite Kammer) vom 16. Februar 2006
Leitsätze des Urteils
Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen – Vollstreckung – Entscheidung über die Zulassung der Zwangsvollstreckung – Zustellung
(Brüsseler Übereinkommen vom 27. September 1968, Artikel 36)
Artikel 36 des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil‑ und Handelssachen in der durch die Übereinkommen von 1978, 1982 und 1989 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er eine ordnungsgemäße Zustellung der Entscheidung über die Zulassung der Zwangsvollstreckung unter Beachtung der Verfahrensvorschriften des Vertragsstaats verlangt, in dem die Vollstreckung beantragt wird; im Fall einer unterbliebenen oder mangelhaften Zustellung der Entscheidung über die Zulassung der Zwangsvollstreckung reicht daher die bloße Tatsache, dass der Vollstreckungsschuldner von dieser Entscheidung Kenntnis erlangt hat, nicht aus, um die in dem genannten Artikel festgelegte Frist auszulösen.
Erstens dient das Zustellungserfordernis der Entscheidung über die Zulassung der Zwangsvollstreckung nämlich zum einen dem Schutz der Verteidigungsrechte des Vollstreckungsschuldners und hat zum anderen eine Beweisfunktion, indem es die exakte Berechnung der in dieser Vorschrift vorgesehenen zwingenden Rechtsbehelfsfrist ermöglicht. Aus dieser doppelten Funktion in Verbindung mit dem Ziel, die Förmlichkeiten zu vereinfachen, denen die Vollstreckung von in anderen Vertragsstaaten erlassenen gerichtlichen Entscheidungen unterliegt, erklärt sich, weshalb das Übereinkommen für die Übermittlung der Entscheidung über die Zulassung der Zwangsvollstreckung an den Vollstreckungsschuldner strengere Formerfordernisse vorsieht als für die Übermittlung derselben Entscheidung an den Antragsteller. Wenn es zweitens allein auf die Kenntnis des Vollstreckungsschuldners von der Entscheidung über die Zulassung der Zwangsvollstreckung ankäme, so bestünde die Gefahr, dass das Zustellungserfordernis bedeutungslos würde, und die exakte Berechnung der in dieser Vorschrift vorgesehenen Frist würde außerdem erschwert und dadurch eine einheitliche Anwendung der Vorschriften des Übereinkommens unmöglich gemacht.
(vgl. Randnrn. 34-38 und Tenor)
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Zweite Kammer)
16. Februar 2006(*)
„Brüsseler Übereinkommen – Entscheidung über die Zulassung der Vollstreckung einer in einem anderen Vertragsstaat erlassenen Entscheidung – Unterbliebene oder mangelhafte Zustellung – Kenntnisnahme – Klagefrist“
In der Rechtssache C-3/05
wegen eines Vorabentscheidungsersuchens nach dem Protokoll vom 3. Juni 1971 betreffend die Auslegung des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen durch den Gerichtshof, eingereicht von der Corte d’appello Cagliari (Italien) mit Entscheidung vom 12. November 2004, beim Gerichtshof eingegangen am 6. Januar 2005, in dem Verfahren
Gaetano Verdoliva
gegen
J. M. Van der Hoeven BV,
Banco di Sardegna,
San Paolo IMI SpA,
Beteiligter:
Pubblico Ministero,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans, des Richters R. Schintgen, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter G. Arestis und J. Klučka (Berichterstatter),
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– von Herrn Verdoliva, vertreten durch M. Comella und U. Ugas, avvocati,
– der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von A. Cingolo, avvocato dello Stato,
– der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch E. de March und A.‑M. Rouchaud‑Joët als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 24. November 2005
folgendes
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Artikel 36 des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1972, L 299, S. 32) in der durch die Übereinkommen vom 9. Oktober 1978 über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland (ABl. L 304, S. 1 und – geänderter Text – S. 77), vom 25. Oktober 1982 über den Beitritt der Republik Griechenland (ABl. L 388, S. 1) und vom 26. Mai 1989 über den Beitritt des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik (ABl. L 285, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Brüsseler Übereinkommen oder EuGVÜ).
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits von G. Verdoliva gegen J. M. Van der Hoeven BV (im Folgenden: Van der Hoeven), die Banco di Sardegna und die San Paolo IMI SpA, vormals Instituto San Paolo di Torino, wegen der Vollstreckung eines Urteils der Arrondissementsrechtbank Den Haag (Niederlande), mit dem Herr Verdoliva zur Zahlung von 365 000 NLG an Van der Hoeven verurteilt wurde, in Italien.
„Das mit dem Antrag befasste Gericht erlässt seine Entscheidung unverzüglich, ohne dass der Schuldner in diesem Abschnitt des Verfahrens Gelegenheit erhält, eine Erklärung abzugeben.
Der Antrag kann nur aus einem der in den Artikeln 27 und 28 angeführten Gründe abgelehnt werden.
…“
„Wird die Zwangsvollstreckung zugelassen, so kann der Schuldner gegen die Entscheidung innerhalb eines Monats nach ihrer Zustellung einen Rechtsbehelf einlegen.
Hat der Schuldner seinen Wohnsitz in einem anderen Vertragsstaat als dem, in dem die Entscheidung über die Zulassung der Zwangsvollstreckung ergangen ist, so beträgt die Frist für den Rechtsbehelf zwei Monate und beginnt von dem Tage an zu laufen, an dem die Entscheidung dem Schuldner entweder in Person oder in seiner Wohnung zugestellt worden ist. Eine Verlängerung dieser Frist wegen weiter Entfernung ist ausgeschlossen.“
11 Artikel 650 CCP bestimmt, dass der Empfänger eines Mahndekrets auch nach Ablauf der in diesem gesetzten Frist Widerspruch einlegen kann, wenn er den Nachweis erbringt, insbesondere wegen mangelhafter Zustellung keine rechtzeitige Kenntnis von dem Dekret erhalten zu haben. Jedoch ist der Widerspruch nach Ablauf von zehn Tagen ab der ersten Vollstreckungshandlung nicht mehr zulässig.
12 Am 14. September 1993 verurteilte die Arrondissementsrechtbank Den Haag Herrn Verdoliva zur Zahlung von 365 000 NLG zuzüglich Zinsen und Nebenkosten an Van der Hoeven.
13 Am 24. Mai 1994 erklärte die Corte d’appello Cagliari dieses Urteil für im italienischen Hoheitsgebiet vollstreckbar und gestattete die Sicherungsbeschlagnahme des von Herrn Verdoliva geschuldeten Betrages in Höhe von 220 Millionen ITL.
14 Ein erster Versuch der Zustellung der Vollstreckbarerklärung am Wohnsitz von Herrn Verdoliva in Capoterra (Italien) blieb ohne Erfolg. Denn nach dem am 14. Juli 1994 erstellten Zustellungsprotokoll war Herr Verdoliva zwar immer noch unter dieser Adresse gemeldet, tatsächlich aber vor mehr als einem Jahr verzogen.
15 Daraufhin erfolgte eine zweite Zustellung gemäß Artikel 143 CCP. Gemäß dem Zustellungsprotokoll vom 27. Juli 1994 wurde eine Abschrift der Akte im Gemeindeamt von Capoterra hinterlegt und eine weitere Abschrift an der Amtstafel des Gerichts angeschlagen.
16 Nachdem Herr Verdoliva nicht innerhalb von 30 Tagen nach der so erfolgten Zustellung Widerspruch erhoben hatte, betrieb Van der Hoeven die Zwangsvollstreckung gegen ihn, indem sie dem Vollstreckungsverfahren beitrat, das die Banco di Sardegna und die San Paolo IMI SpA bereits gegen Herrn Verdoliva eingeleitet hatten.
17 Mit Klageschrift vom 4. Dezember 1996 erhob Herr Verdoliva beim Tribunale civile Cagliari (Italien) mit der Begründung Widerspruchsklage gegen die Vollstreckung, dass die Vollstreckbarerklärung ihm nicht zugestellt und nicht bei der Gemeinde Capoterra hinterlegt worden sei; daher sei das Zustellungsprotokoll vom 27. Juli 1994 falsch.
19 Gegen dieses Urteil hat Herr Verdoliva beim vorlegenden Gericht Berufung eingelegt, mit der er sein Vorbringen im ersten Rechtszug wiederholt und ferner geltend macht, dass die Zustellung auch wegen Verstoßes gegen Artikel 143 CCP in der Auslegung durch die italienische Corte suprema di cassazione nichtig sei. Der Gerichtsvollzieher habe nämlich weder die erforderlichen Nachforschungen angestellt, um zu klären, ob der Adressat tatsächlich unauffindbar gewesen sei, noch auf diese Nachforschungen im Zustellungsprotokoll vom 27. Juli 1994 hingewiesen.
23 Zwar sieht diese Vorschrift vor, dass die Frist für die Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen die Entscheidung über die Zulassung der Zwangsvollstreckung am Tag der Zustellung dieser Entscheidung in Lauf gesetzt wird, aber sie definiert nicht den Begriff der Zustellung und erläutert nicht, welchen Anforderungen diese genügen muss, um wirksam zu werden, außer wenn der Schuldner seinen Wohnsitz in einem anderen Vertragsstaat als demjenigen hat, in dem die Entscheidung über die Zulassung der Vollstreckung ergangen ist; in diesem Fall ist die Entscheidung dem Schuldner entweder in Person oder in seiner Wohnung zuzustellen, um die Rechtsbehelfsfrist in Lauf zu setzen.
24 Außerdem enthält Artikel 36 EuGVÜ im Gegensatz zu Artikel 27 Nummer 2 EuGVÜ keine ausdrückliche Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Zustellung.
26 Was die Zwecke des Brüsseler Übereinkommens anbelangt, so geht aus dessen Präambel hervor, dass es die Vereinfachung der Förmlichkeiten für die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen sicherstellen soll. Dieses Ziel darf aber nach ständiger Rechtsprechung nicht dadurch erreicht werden, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör in irgendeiner Weise beeinträchtigt wird (vgl. u. a. Urteile vom 11. Juni 1985 in der Rechtssache 49/84, Debaecker und Plouvier, Slg. 1985, 1779, Randnr. 10, und vom 13. Oktober 2005 in der Rechtssache C‑522/03, Scania Finance France, Slg. 2005, I‑0000, Randnr. 15).
28 Zu dem mit dem Brüsseler Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen eingeführten System ist zu bemerken, dass die Zustellung von Schriftstücken und Entscheidungen an den Beklagten außer in Artikel 36 EuGVÜ auch noch in anderen Vorschriften vorgesehen ist.
29 Nach den Artikeln 27 Nummer 2 und 34Absatz 2 EuGVÜ werden die in einem Vertragsstaat ergangenen Entscheidungen nicht in den anderen Vertragsstaaten anerkannt, wenn dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht ordnungsgemäß und nicht so rechtzeitig zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte. Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang für Recht erkannt, dass eine in einem Vertragsstaat im Versäumnisverfahren ergangene Entscheidung in einem anderen Vertragsstaat nicht anerkannt werden darf, wenn das verfahrenseinleitende Schriftstück dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, nicht ordnungsgemäß zugestellt worden ist, selbst wenn er anschließend von der ergangenen Entscheidung Kenntnis erhalten und dagegen keinen Rechtsbehelf eingelegt hat (Urteile vom 3. Juli 1990 in der Rechtssache C‑305/88, Lancray, Slg. 1990, I‑2725, Randnr. 23, und vom 12. November 1992 in der Rechtssache C‑123/91, Minalmet, Slg. 1992, I‑5661, Randnr. 21).
31 Artikel 36 EuGVÜ sieht nämlich hinsichtlich des Vollstreckungsschuldners die Verwendung eines förmlichen Mechanismus zur „Zustellung“ der Entscheidung über die Zulassung der Zwangsvollstreckung vor. Artikel 35 EuGVÜ verlangt dagegen lediglich, dass die Entscheidung, die über den Antrag ergangen ist, dem Antragsteller „mitzuteilen ist“.
32 Außerdem verfügt der Vollstreckungsschuldner gemäß Artikel 36 EuGVÜ – je nachdem, ob er seinen Wohnsitz in dem Vertragsstaat hat, in dem die Entscheidung über die Zulassung der Zwangsvollstreckung ergangen ist, oder nicht – nach der Zustellung der Entscheidung über eine Frist von einem oder zwei Monaten, um gegen die Entscheidung einen Rechtsbehelf einzulegen. Diese Frist ist zwingend (Urteil vom 4. Februar 1988 in der Rechtssache 145/86, Hoffmann, Slg. 1988, 645, Randnrn. 30 und 31). Demgegenüber folgt sowohl aus dem Wortlaut von Artikel 40 Absatz 1 EuGVÜ als auch aus dem Bericht von P. Jenard über dieses Übereinkommen (ABl. 1979, C 59, S. 1, 53), dass das Recht des Antragstellers, gegen eine Entscheidung, mit der die Zwangsvollstreckung nicht zugelassen wird, einen Rechtsbehelf einzulegen, keiner Ausschlussfrist unterliegt.
37 Außerdem würde das die exakte Berechnung der in Artikel 36 EuGVÜ vorgesehenen Frist erschweren und dadurch eine einheitliche Anwendung der Vorschriften des Brüsseler Übereinkommens unmöglich machen (vgl. in diesem Sinne Urteil Lancray, Randnr. 20).
39 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:
Unterschriften.
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