Leitsätze
1. Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2201/2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung Nr. 1347/2000 in der durch die Verordnung Nr. 2116/2004 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass eine einheitliche Entscheidung, die die sofortige Inobhutnahme und die Unterbringung eines Kindes außerhalb der eigenen Familie in einer Pflegefamilie anordnet, unter den Begriff der Zivilsachen im Sinne dieser Bestimmung fällt, wenn die Entscheidung im Rahmen des dem öffentlichen Recht unterliegenden Kindesschutzes ergangen ist.
Der Begriff „Zivilsachen“ im Sinne der genannten Vorschrift ist nämlich autonom auszulegen. Nur eine einheitliche Anwendung der Verordnung Nr. 2201/2003 in den Mitgliedstaaten, die voraussetzt, dass der Anwendungsbereich dieser Verordnung durch das Gemeinschaftsrecht und nicht durch die nationalen Rechte bestimmt wird, kann die Verwirklichung der mit der Verordnung verfolgten Ziele sicherstellen, zu denen die Gleichbehandlung aller betroffenen Kinder zählt. Nach dem fünften Erwägungsgrund der genannten Verordnung ist dieses Ziel nur sichergestellt, wenn alle Entscheidungen über die elterliche Verantwortung in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen. Diese Verantwortung wird in Art. 2 Nr. 7 der genannten Verordnung weit in dem Sinne definiert, dass sie die gesamten Rechte und Pflichten umfasst, die einer natürlichen oder juristischen Person durch Entscheidung oder kraft Gesetzes oder durch eine rechtlich verbindliche Vereinbarung betreffend die Person oder das Vermögen eines Kindes übertragen werden. Dabei ist unbeachtlich, ob die elterliche Verantwortung durch eine staatliche Schutzmaßnahme berührt wird oder durch eine Entscheidung, die auf Initiative eines bzw. der Sorgerechtsinhaber ergangen ist.
(vgl. Randnrn. 46-50, 53, Tenor 1)
2. Die Verordnung Nr. 2201/2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung Nr. 1347/2000 in der durch die Verordnung Nr. 2116/2004 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass eine harmonisierte nationale Regelung über die Anerkennung und Vollstreckung von Verwaltungsentscheidungen über die Inobhutnahme und Unterbringung von Personen, die im Rahmen der nordischen Zusammenarbeit ergangen ist, auf eine Entscheidung über die Inobhutnahme eines Kindes, die in den Anwendungsbereich der genanten Verordnung fällt, nicht angewandt werden kann.
Die Zusammenarbeit zwischen den nordischen Staaten auf dem Gebiet der Anerkennung und Vollstreckung von Verwaltungsentscheidungen über die Inobhutnahme und über die Unterbringung von Personen ist nämlich bei den in der Verordnung Nr. 2201/2003 abschließend aufgezählten Ausnahmen nicht aufgeführt.
Diese Auslegung wird auch durch die 28. Gemeinsame Erklärung zur nordischen Zusammenarbeit nicht in Frage gestellt, die der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge beigefügt ist. Nach dieser Erklärung haben sich nämlich die an der nordischen Zusammenarbeit beteiligten Mitgliedstaaten der Union dazu verpflichtet, diese Zusammenarbeit in Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht weiterzuführen. Daraus folgt, dass bei dieser Zusammenarbeit die Grundsätze der Gemeinschaftsrechtsordnung zu beachten sind. Das nationale Gericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit die Normen des Gemeinschaftsrechts anzuwenden hat, ist verpflichtet, die volle Wirksamkeit dieser Normen sicherzustellen, indem es nötigenfalls aus eigener Entscheidungsbefugnis jede entgegenstehende Bestimmung der nationalen Rechtsordnung unangewandt lässt.
(vgl. Randnrn. 57, 61, 63-66, Tenor 2)
Publication reference
-
Publication reference: Sammlung der Rechtsprechung 2007 I-10141
Document number
-
ECLI identifier: ECLI:EU:C:2007:714
-
Celex-Nr.: 62006CJ0435
Authentic language
-
Authentic language: Finnisch
Dates
-
Date of document: 27/11/2007
-
Date lodged: 17/10/2006
Classifications
-
Subject matter
-
Directory of EU case law
Miscellaneous information
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Author: Gerichtshof
-
Country or organisation from which the decision originates: Finnland
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Form: Urteil
Procedure
-
Type of procedure: Vorabentscheidung
-
Judge-Rapportuer: Cunha Rodrigues
-
Advocate General: Kokott
-
Observations: Schweden, Frankreich, EUMS, Slowakei, Niederlande, Finnland, EUINST, Europäische Kommission, Deutschland
-
National court:
- *A9* Korkein hallinto-oikeus, välipäätös 13/10/2006 (2330/3/05)
- - JURIFAST
- *P1* Korkein hallinto-oikeus, päätös 30/01/2008 (2330/3/05)
- - JURIFAST
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Relationship between documents
- Treaty: Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (1957)
-
Case affecting:
Affects Legal instrument Provision Legt aus 32003R2201 A01P1 -
Instruments cited:
Legal instrument Provision Paragraph in document 41968A0927(01) A01P1L1 N 39 61977CJ0106 N 57 61989CJ0213 N 57 11994N/AFI/DCL/28 N 3 63 64 32000R1347 A46 N 72 32003R2201 C5 N 4 31 48 32003R2201 A01P1LB N 26 32003R2201 A02PT9 N 33 32003R2201 A59 N 9 32003R2201 A01 N 5 32003R2201 A08P1 N 7 74 32003R2201 A01P2LA N 33 32003R2201 C10 N 52 32003R2201 A64 N 10 32003R2201 A72 N 11 68 32003R2201 A01P1 N 24 38 41 44 45 53 32003R2201 A02 N 6 32003R2201 A02PT1 N 26 45 32003R2201 A64P2 N 69 76 32003R2201 A01P2LD N 34 32003R2201 A02PT7 N 27 49 32003R2201 A01P2 N 28 30 32003R2201 A16P1LA N 8 32003R2201 A64P1 N 68 32003R2201 N 1 45 47 61 62 66 70 77 32003R2201 A59P1 N 58 32003R2201 A59P2LA N 59 32004R2116 N 1 62005CJ0119 N 57 62005CJ0292 N 40 62006CC0435 N 35 50
Rechtssache C‑435/06
Im Verfahren
C
(Vorabentscheidungsersuchen des Korkein hallinto-oikeus)
„Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung – Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 – Sachlicher und zeitlicher Anwendungsbereich – Begriff der Zivilsachen – Entscheidung über die Inobhutnahme und Unterbringung von Kindern außerhalb der eigenen Familie – Dem öffentlichen Recht unterliegende Maßnahmen des Kindesschutzes“
Schlussanträge der Generalanwältin J. Kokott vom 20. September 2007
Urteil des Gerichtshofs (Große Kammer) vom 27. November 2007
Leitsätze des Urteils
1. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung – Verordnung Nr. 2201/2003
(Verordnung Nr. 2201/2003 des Rates, Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Nr. 7)
2. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung – Verordnung Nr. 2201/2003
(Beitrittsakte von 1994, 28. Gemeinsame Erklärung; Verordnung Nr. 2201/2003 des Rates)
1. Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2201/2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung Nr. 1347/2000 in der durch die Verordnung Nr. 2116/2004 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass eine einheitliche Entscheidung, die die sofortige Inobhutnahme und die Unterbringung eines Kindes außerhalb der eigenen Familie in einer Pflegefamilie anordnet, unter den Begriff der Zivilsachen im Sinne dieser Bestimmung fällt, wenn die Entscheidung im Rahmen des dem öffentlichen Recht unterliegenden Kindesschutzes ergangen ist.
Der Begriff „Zivilsachen“ im Sinne der genannten Vorschrift ist nämlich autonom auszulegen. Nur eine einheitliche Anwendung der Verordnung Nr. 2201/2003 in den Mitgliedstaaten, die voraussetzt, dass der Anwendungsbereich dieser Verordnung durch das Gemeinschaftsrecht und nicht durch die nationalen Rechte bestimmt wird, kann die Verwirklichung der mit der Verordnung verfolgten Ziele sicherstellen, zu denen die Gleichbehandlung aller betroffenen Kinder zählt. Nach dem fünften Erwägungsgrund der genannten Verordnung ist dieses Ziel nur sichergestellt, wenn alle Entscheidungen über die elterliche Verantwortung in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen. Diese Verantwortung wird in Art. 2 Nr. 7 der genannten Verordnung weit in dem Sinne definiert, dass sie die gesamten Rechte und Pflichten umfasst, die einer natürlichen oder juristischen Person durch Entscheidung oder kraft Gesetzes oder durch eine rechtlich verbindliche Vereinbarung betreffend die Person oder das Vermögen eines Kindes übertragen werden. Dabei ist unbeachtlich, ob die elterliche Verantwortung durch eine staatliche Schutzmaßnahme berührt wird oder durch eine Entscheidung, die auf Initiative eines bzw. der Sorgerechtsinhaber ergangen ist.
(vgl. Randnrn. 46-50, 53, Tenor 1)
2. Die Verordnung Nr. 2201/2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung Nr. 1347/2000 in der durch die Verordnung Nr. 2116/2004 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass eine harmonisierte nationale Regelung über die Anerkennung und Vollstreckung von Verwaltungsentscheidungen über die Inobhutnahme und Unterbringung von Personen, die im Rahmen der nordischen Zusammenarbeit ergangen ist, auf eine Entscheidung über die Inobhutnahme eines Kindes, die in den Anwendungsbereich der genanten Verordnung fällt, nicht angewandt werden kann.
Die Zusammenarbeit zwischen den nordischen Staaten auf dem Gebiet der Anerkennung und Vollstreckung von Verwaltungsentscheidungen über die Inobhutnahme und über die Unterbringung von Personen ist nämlich bei den in der Verordnung Nr. 2201/2003 abschließend aufgezählten Ausnahmen nicht aufgeführt.
Diese Auslegung wird auch durch die 28. Gemeinsame Erklärung zur nordischen Zusammenarbeit nicht in Frage gestellt, die der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge beigefügt ist. Nach dieser Erklärung haben sich nämlich die an der nordischen Zusammenarbeit beteiligten Mitgliedstaaten der Union dazu verpflichtet, diese Zusammenarbeit in Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht weiterzuführen. Daraus folgt, dass bei dieser Zusammenarbeit die Grundsätze der Gemeinschaftsrechtsordnung zu beachten sind. Das nationale Gericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit die Normen des Gemeinschaftsrechts anzuwenden hat, ist verpflichtet, die volle Wirksamkeit dieser Normen sicherzustellen, indem es nötigenfalls aus eigener Entscheidungsbefugnis jede entgegenstehende Bestimmung der nationalen Rechtsordnung unangewandt lässt.
(vgl. Randnrn. 57, 61, 63-66, Tenor 2)
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)
27. November 2007(*)
„Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung – Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 – Sachlicher und zeitlicher Anwendungsbereich – Begriff der Zivilsachen – Entscheidung über die Inobhutnahme und Unterbringung von Kindern außerhalb der eigenen Familie – Dem öffentlichen Recht unterliegende Maßnahmen des Kindesschutzes“
In der Rechtssache C‑435/06
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Korkein hallinto-oikeus (Finnland) mit Entscheidung vom 13. Oktober 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 17. Oktober 2006, in dem Verfahren
C
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans, A. Rosas und A. Tizzano, der Richter R. Schintgen und J. N. Cunha Rodrigues (Berichterstatter), der Richterin R. Silva de Lapuerta, sowie der Richter J.‑C. Bonichot, T. von Danwitz und A. Arabadjiev,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– von C, vertreten durch M. Fredman, asianajaja,
– der finnischen Regierung, vertreten durch A. Guimaraes-Purokoski als Bevollmächtigte,
– der deutschen Regierung vertreten durch M. Lumma als Bevollmächtigten,
– der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und A.‑L. During als Bevollmächtigte,
– der niederländischen Regierung, vertreten durch H. G. Sevenster als Bevollmächtigte,
– der slowakischen Regierung, vertreten durch J. Čorba als Bevollmächtigten,
– der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Kruse als Bevollmächtigten,
– der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Wilderspin und P. Aalto als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 20. September 2007
folgendes
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (ABl. L 338, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 2116/2004des Rates vom 2. Dezember 2004 (ABl. L 367, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 2201/2003).
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsmittels von C, der Mutter der Kinder A und B, gegen die Entscheidung des Oulun hallinto-oikeus (Verwaltungsgericht Oulu [Finnland]), mit der die Anordnung der finnischen Polizei, die Kinder den schwedischen Behörden zu überstellen, bestätigt wurde.
3 In der 28. Gemeinsamen Erklärung zur nordischen Zusammenarbeit, die der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge beigefügt ist (ABl. 1994, C 241, S. 21, und ABl. 1995, L 1, S. 1), heißt es:
„Um die Gleichbehandlung aller Kinder sicherzustellen, gilt diese Verordnung für alle Entscheidungen über die elterliche Verantwortung, einschließlich der Maßnahmen zum Schutz des Kindes, ohne Rücksicht darauf, ob eine Verbindung zu einem Verfahren in Ehesachen besteht.“
5 Art. 1 dieser Verordnung bestimmt:
„(1) Diese Verordnung gilt, ungeachtet der Art der Gerichtsbarkeit, für Zivilsachen mit folgendem Gegenstand:
…
b) die Zuweisung, die Ausübung, die Übertragung sowie die vollständige oder teilweise Entziehung der elterlichen Verantwortung.
(2) Die in Absatz 1 Buchstabe b) genannten Zivilsachen betreffen insbesondere:
a) das Sorgerecht und das Umgangsrecht,
…
d) die Unterbringung des Kindes in einer Pflegefamilie oder einem Heim,
…“
„Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck
1. ‚Gericht‘ alle Behörden der Mitgliedstaaten, die für Rechtssachen zuständig sind, die gemäß Artikel 1 in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen;
…
4. ‚Entscheidung‘ jede … Entscheidung über die elterliche Verantwortung, ohne Rücksicht auf die Bezeichnung der jeweiligen Entscheidung, wie Urteil oder Beschluss;
…
7. ‚elterliche Verantwortung‘ die gesamten Rechte und Pflichten, die einer natürlichen oder juristischen Person durch Entscheidung oder kraft Gesetzes oder durch eine rechtlich verbindliche Vereinbarung betreffend die Person oder das Vermögen eines Kindes übertragen wurden. Elterliche Verantwortung umfasst insbesondere das Sorge- und das Umgangsrecht;
…
9. ‚Sorgerecht‘ die Rechte und Pflichten, die mit der Sorge für die Person eines Kindes verbunden sind, insbesondere das Recht auf die Bestimmung des Aufenthaltsortes des Kindes;
…“
7 Art. 8 Abs. 1 dieser Verordnung sieht vor:
„Für Entscheidungen, die die elterliche Verantwortung betreffen, sind die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dem das Kind zum Zeitpunkt der Antragstellung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.“
8 Art. 16 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung bestimmt:
„Ein Gericht gilt als angerufen,
a) zu dem Zeitpunkt, zu dem das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück bei Gericht eingereicht wurde, vorausgesetzt, dass der Antragsteller es in der Folge nicht versäumt hat, die ihm obliegenden Maßnahmen zu treffen, um die Zustellung des Schriftstücks an den Antragsgegner zu bewirken“.
„(1) Unbeschadet der Artikel 60, 61, 62 und des Absatzes 2 des vorliegenden Artikels ersetzt diese Verordnung die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung bestehenden, zwischen zwei oder mehr Mitgliedstaaten geschlossenen Übereinkünfte, die in dieser Verordnung geregelte Bereiche betreffen.
…“
10 Art. 64 dieser Verordnung sieht vor:
„(1) Diese Verordnung gilt nur für gerichtliche Verfahren, öffentliche Urkunden und Vereinbarungen zwischen den Parteien, die nach Beginn der Anwendung dieser Verordnung gemäß Artikel 72 eingeleitet, aufgenommen oder getroffen wurden.
…“
12 Das schwedische Gesetz über besondere Bestimmungen zum Schutz Minderjähriger (Lag med särskilda bestämmelser om vård av unga, SFS [1990:52]) sieht Schutzmaßnahmen für Kinder wie ihre Inobhutnahme und Unterbringung gegen den Willen der Eltern vor. Bei Gefahren für die Gesundheit oder Entwicklung eines Kindes kann der Sozialausschuss der Gemeinde beim Länsrätt (Verwaltungsgericht) den Erlass geeigneter Maßnahmen beantragen. In Eilfällen kann der Sozialausschuss zunächst auch selbst diese Maßnahmen anordnen, die nachträglich vom Länsrätt zu genehmigen sind.
13 Nach § 1 Abs. 1 des finnischen Gesetzes über die Überstellung nach Island, Norwegen, Schweden oder Dänemark zur Vollstreckung von Entscheidungen über die Betreuung oder Behandlung (Laki huoltoa tai hoitoa koskevan päätöksen täytäntöönpanoa varten tapahtuvasta luovuttamisesta Islantiin, Norjaan, Ruotsiin tai Tanskaan [761/1970], im Folgenden: Laki 761/1970) kann, wer aufgrund einer Entscheidung der isländischen, norwegischen, schwedischen oder dänischen Behörden betreut oder behandelt werden soll, auf Antrag zur Vollstreckung einer solchen Entscheidung von Finnland in den betreffenden Staat überstellt werden.
14 Am 23. Februar 2005 entschied der Sozialausschuss der Stadt L (Schweden), die sich in dieser Stadt aufhaltenden Kinder A und B sofort in Obhut zu nehmen, um sie in einer Pflegefamilie unterzubringen. Der 2001 geborene A und die 1999 geborene B sind beide finnische Staatsangehörige; A besitzt außerdem noch die schwedische Staatsangehörigkeit.
15 Am 1. März 2005 verzog Frau C mit den Kindern A und B nach Finnland. Am 2. März 2005 meldete sie sich in diesem Mitgliedstaat an. Die finnischen Behörden trugen den neuen Wohnsitz am 10. März 2005 rückwirkend zum 1. März 2005 ein.
16 Die Entscheidung des Sozialausschusses der Stadt L wurde vom Länsrätt i K län (Verwaltungsgericht der Provinz K [Schweden]) am 3. März 2005 bestätigt, das hierzu am 25. Februar 2005 angerufen worden war. Dieses Verfahren der gerichtlichen Bestätigung sieht das schwedische Recht für sämtliche Fälle vor, in denen ein Kind ohne Einverständnis der Eltern in Obhut genommen wird.
17 Nach der Feststellung, dass die schwedischen Gerichte für die Rechtssache zuständig seien, wies das Kammarrätt i M (Berufungsverwaltungsgericht M [Schweden]) das Rechtsmittel von C gegen die Entscheidung des Länsrätt i K län zurück.
18 Die Zuständigkeit der schwedischen Gerichte wurde am 20. Juni 2006 vom Regeringsrätt (Oberster Verwaltungsgerichtshof [Schweden]) bestätigt.
19 Bereits am Tag der Verkündung der Entscheidung des Länsrätt i K län hatte die schwedische Polizei die finnische Polizei in H, wo sich die beiden Kinder bei ihrer Großmutter aufhielten, um Amtshilfe bei der Vollstreckung dieser Entscheidung ersucht. Dieses Ersuchen war auf der Grundlage des Laki 761/1970 ergangen.
20 Mit Entscheidung vom 8. März 2005 ordnete die finnische Polizei an, die Kinder A und B den schwedischen Behörden zu überstellen. C klagte gegen diese Entscheidung vor dem Oulun hallinto-oikeus, das die Klage abwies.
22 Das Korkein hallinto-oikeus wirft unter Hinweis darauf, dass die Entscheidung über die Inobhutnahme und die Unterbringung eines Kindes in Finnland unter das öffentliche Recht fällt, die Frage auf, ob eine derartige Entscheidung vom Begriff der Zivilsachen in dieser Verordnung erfasst wird. Da der Kindesschutz in Finnland den Erlass nicht nur einer, sondern einer ganzen Reihe von Entscheidungen erfordert, möchte das Gericht außerdem wissen, ob die genannte Verordnung sowohl die Inobhutnahme als auch die Unterbringung von Kindern betrifft oder lediglich die Entscheidung über die Unterbringung.
23 In Anbetracht dessen hat das Korkein hallinto-oikeus beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
27 Nach Art. 2 Nr. 7 dieser Verordnung umfasst die „elterliche Verantwortung“ die gesamten Rechte und Pflichten, die einer natürlichen oder juristischen Person durch Entscheidung oder kraft Gesetzes oder durch eine rechtlich verbindliche Vereinbarung betreffend die Person oder das Vermögen eines Kindes übertragen wurden, insbesondere das Sorge- und das Umgangsrecht.
28 Die Inobhutnahme eines Kindes wird nicht ausdrücklich unter den Angelegenheiten der elterlichen Verantwortung gemäß Art. 1 Abs. 2 der Verordnung genannt.
30 Der Begriff „insbesondere“ in Art. 1 Abs. 2 dieser Verordnung bedeutet nämlich, dass die Aufzählung in dieser Vorschrift lediglich beispielhaft ist.
32 Eine Entscheidung über die Inobhutnahme eines Kindes wie die im Ausgangsverfahren streitgegenständliche fügt sich naturgemäß in den Rahmen einer öffentlichen Maßnahme ein, die an den Erfordernissen des Jugendschutzes und der Jugendhilfe ausgerichtet ist.
35 Wie die Generalanwältin in Nr. 28 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, stehen Inobhutnahme und Unterbringung in einem sehr engen Zusammenhang, da zum einen eine Inobhutnahme nur als einstweilige Maßnahme isoliert ergehen kann und zum anderen die Unterbringung eines Kindes gegen den Willen der Eltern nur durchgeführt werden kann, wenn die zuständige Behörde das Kind zuvor in Obhut nimmt.
39 Es ist daran zu erinnern, dass der Gerichtshof im Rahmen des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1972, L 299, S. 32) in der durch die Übereinkommen vom 9. Oktober 1978 über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland (ABl. L 304, S. 1 und – geänderter Text – S. 77), vom 25. Oktober 1982 über den Beitritt der Hellenischen Republik (ABl. L 388, S. 1), vom 26. Mai 1989 über den Beitritt des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik (ABl. L 285, S. 1) und vom 29. November 1996 über den Beitritt der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden (ABl. 1997, C 15, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Brüsseler Übereinkommen) den Begriff „Zivil- und Handelssachen“ aus Art. 1 Abs. 1 Satz 1 dieses Übereinkommens auszulegen hatte.
40 Wie der Gerichtshof mehrfach entschieden hat, können die in dieser Bestimmung verwendeten Begriffe – um so weit wie möglich sicherzustellen, dass sich aus dem Brüsseler Übereinkommen für die Vertragsstaaten und die betroffenen Personen gleiche und einheitliche Rechte und Pflichten ergeben – nicht als bloße Verweisung auf das innerstaatliche Recht des einen oder anderen beteiligten Staates verstanden werden. Der Begriff „Zivil- und Handelssachen“ ist als autonomer Begriff anzusehen, bei dessen Auslegung die Ziele und die Systematik des Brüsseler Übereinkommens sowie die allgemeinen Rechtsgrundsätze, die sich aus der Gesamtheit der nationalen Rechtsordnungen ergeben, berücksichtigt werden müssen (vgl. Urteil vom 15. Februar 2007, Lechouritou u. a., C‑292/05, Slg. 2007, I‑0000, Randnr. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).
42 Die schwedische Regierung stützt sich hierbei auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs, der zufolge bestimmte Rechtsstreitigkeiten, in denen sich eine Behörde und eine Person des Privatrechts gegenüberstehen, zwar unter das Brüsseler Übereinkommen fallen, dies aber nicht gilt, wenn die Behörde hoheitlich tätig wird (Urteile vom 1. Oktober 2002, Henkel, C‑167/00, Slg. 2002, I‑8111, Randnrn. 26 und 30, und vom 15. Mai 2003, Préservatrice foncière TIARD, C‑266/01, Slg. 2003, I‑4867, Randnr. 22).
43 Nach Ansicht der schwedischen Regierung ist kaum eine Entscheidung vorstellbar, die einen noch offenkundigeren Fall hoheitlichen Handelns darstelle als die Anordnung der Inobhutnahme eines Kindes, durch die unter bestimmten Umständen dem Kind sogar seine Freiheit entzogen werde.
45 Da der Begriff „Zivilsachen“ im Hinblick auf die Ziele der Verordnung Nr. 2201/2003 auszulegen ist, würde nämlich gerade das Ziel der gegenseitigen Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Angelegenheiten der elterlichen Verantwortung offenkundig aufs Spiel gesetzt, wenn die Entscheidungen über die Inobhutnahme und die Unterbringung eines Kindes, die in einigen Mitgliedstaaten unter das öffentliche Recht fallen, allein aus diesem Grund vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen werden müssten. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Nr. 1 der Verordnung Nr. 2201/2003 weder die Gerichtsverfassung der Mitgliedstaaten noch die Zuweisung von Zuständigkeiten an Verwaltungsbehörden irgendeinen Einfluss auf den Anwendungsbereich der Verordnung und die Auslegung des Begriffs „Zivilsachen“ haben kann.
46 Der Begriff „Zivilsachen“ ist somit autonom auszulegen.
49 Diese Verantwortung wird in Art. 2 Nr. 7 der genannten Verordnung weit in dem Sinne definiert, dass sie die gesamten Rechte und Pflichten umfasst, die einer natürlichen oder juristischen Person durch Entscheidung oder kraft Gesetzes oder durch eine rechtlich verbindliche Vereinbarung betreffend die Person oder das Vermögen eines Kindes übertragen werden.
50 Wie die Generalanwältin in Nr. 44 ihrer Schlussanträge aufgezeigt hat, ist dabei unbeachtlich, ob die elterliche Verantwortung durch eine staatliche Schutzmaßnahme berührt wird oder durch eine Entscheidung, die auf Initiative eines bzw. der Sorgerechtsinhaber selbst ergangen ist.
51 Der Begriff der Zivilsachen ist dahin auszulegen, dass er sogar Maßnahmen umfassen kann, die in der Rechtsordnung eines Mitgliedstaats dem öffentlichen Recht unterliegen.
55 In Anbetracht der Antwort auf Frage 1a sind die Fragen 1b und 1c nicht zu beantworten.
57 Nach ständiger Rechtsprechung ist das nationale Gericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit die Normen des Gemeinschaftsrechts anzuwenden hat, verpflichtet, die volle Wirksamkeit dieser Normen sicherzustellen, indem es nötigenfalls aus eigener Entscheidungsbefugnis jede entgegenstehende Bestimmung der nationalen Rechtsordnung unangewandt lässt (vgl. u. a. Urteile vom 9. März 1978, Simmenthal, 106/77, Slg. 1978, 629, Randnrn. 21 bis 24, vom 19. Juni 1990, Factortame u. a., C‑213/89, Slg. 1990, I‑2433, Randnrn. 19 bis 21, und vom 18. Juli 2007, Lucchini, C‑119/05, Slg. 2007, I‑0000, Randnr. 61).
59 Nach Art. 59 Abs. 2 Buchst. a der genannten Verordnung „[können] Finnland und Schweden … erklären, dass das Übereinkommen vom 6. Februar 1931 zwischen Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden mit Bestimmungen des internationalen Verfahrensrechts über Ehe, Adoption und Vormundschaft einschließlich des Schlussprotokolls anstelle dieser Verordnung ganz oder teilweise auf ihre gegenseitigen Beziehungen anwendbar ist“.
60 Hierbei handelt es sich um die einzige Ausnahmevorschrift zu der in Randnr. 58 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Regel. Als solche ist sie eng auszulegen.
63 Dieses Ergebnis wird durch die 28. Gemeinsame Erklärung zur nordischen Zusammenarbeit nicht in Frage gestellt.
64 Nach dieser Erklärung haben sich nämlich die an der nordischen Zusammenarbeit beteiligten Mitgliedstaaten der Union dazu verpflichtet, diese Zusammenarbeit in Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht weiterzuführen.
65 Daraus folgt, dass bei dieser Zusammenarbeit die Grundsätze der Gemeinschaftsrechtsordnung zu beachten sind.
68 Nach ihren Art. 64 Abs. 1 und 72 gilt die Verordnung Nr. 2201/2003 nur für gerichtliche Verfahren, öffentliche Urkunden und Vereinbarungen zwischen den Parteien, die nach dem 1. März 2005 eingeleitet, aufgenommen oder getroffen wurden.
69 Außerdem sieht Art. 64 Abs. 2 dieser Verordnung vor: „Entscheidungen, die nach Beginn der Anwendung dieser Verordnung in Verfahren ergangen sind, die vor Beginn der Anwendung dieser Verordnung, aber nach Inkrafttreten der Verordnung … Nr. 1347/2000 eingeleitet wurden, werden nach Maßgabe des Kapitels III der vorliegenden Verordnung anerkannt und vollstreckt, sofern das Gericht aufgrund von Vorschriften zuständig war, die mit den Zuständigkeitsvorschriften des Kapitels II der vorliegenden Verordnung oder der Verordnung … Nr. 1347/2000 oder eines Abkommens übereinstimmen, das zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens zwischen dem Ursprungsmitgliedstaat und dem ersuchten Mitgliedstaat in Kraft war.“
71 Zu der ersten Bedingung ist festzustellen, dass nach den Angaben des vorlegenden Gerichts, das allein für die Beurteilung des Sachverhalts des Ausgangsrechtsstreits zuständig ist, die Entscheidung, deren Vollstreckung streitgegenständlich ist, diejenige des Länsrätt i K län vom 3. März 2005 ist. Die Entscheidung ist somit nach Beginn der Anwendung der Verordnung Nr. 2201/2003 ergangen.
72 In Bezug auf die zweite Bedingung geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass das Verfahren der Inobhutnahme der Kinder A und B „im Herbst 2004“ eingeleitet worden ist, d. h. vor Beginn der Anwendung der Verordnung Nr. 2201/2003, aber nach Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1347/2000, die gemäß ihrem Art. 46 am 1. März 2001 in Kraft getreten ist. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu überprüfen, ob dies tatsächlich der Fall gewesen ist.
73 Zur dritten in Randnr. 69 des vorliegenden Urteils genanten Bedingung ist Folgendes festzustellen.
75 Das Regeringsrätt hat auf der Grundlage des nationalen Rechts mit Entscheidung vom 20. Juni 2006 die Zuständigkeit der schwedischen Gerichte für die Rechtssache bestätigt. Es war der Ansicht, dass die Kinder A und B sich zu dem Zeitpunkt, zu dem der Sozialausschuss eine Untersuchung zu ihrer familiären Lage eingeleitet habe, in Schweden im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Länsrätt i K län aufgehalten hätten.
78 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:
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